O tempora, o mores – Oh, was für Zeiten! Was für Sitten!
Sittenschelte?
War es nun bloß Sittenschelte, was ich im vorigen Beitrag geschrieben hatte? – Sicherlich war es auch Sittenschelte, aber es war doch noch viel mehr. Apropos Sittenschelte …
Unzeitgemäß
Sicherlich mag es unzeitgemäß erscheinen, heute, gerade jetzt über Sitten1 sprechen zu wollen. Oder über Moral, was die lateinische Bezeichnung für Sitten ist, oder über Ethik, was ein wenig gehobener daherzukommen scheint, doch auf Griechisch genau dasselbe bezeichnet: die Sitten bzw. ein Leben gemäß den Sitten.
Ist es tatsächlich unzeitgemäß, sich heute Gedanken über unsere Sitten zu machen? – Oder ist es vielmehr, in Zeiten der absoluten sozialen Verblödung, geradezu notwendig? – Schließlich sind es doch die gemeinsamen Sitten, die eine Gemeinschaft und eine Verbindung schaffen und so geradewegs das notwendige Antidotum zu einer Vereinsamung darstellen bzw. sind.
Kaum etwas Anderes schafft Gemeinschaft und Verbindung wie gemeinsame Sitten! Andersherum aufgezäumt: Ohne gemeinschftliche Sitten, ohne eine gemeinsame Ethik, eine gemeinsame Vorstellung von gut und böse, schön und häßlich, wird keine tragfähige, verlässliche Verbindung entstehen können. Und damit keine Gemeinschaft, sondern deren Gegenteil: die Vereinzelung und Einsamkeit.
Zeitgemäß unzeitgemäß
So scheint es mir für unsere Anliegen hier, die sich im Wesentlichen um persönliche Weiterentwicklung und das Thema quälender Einsamkeit drehen, doch sehr zeitgemäß diese Themen zu erörtern. Weil mit dem Zerfall, der Vereinzelung und Fragmentierung der Sitten, zum Beispiel auch beim ganz „einfachen“ Telefonieren, die Vereinzelung einzelner Menschen bewirkt und vorangetrieben wird.
Welch Eigentor: Gerade dadurch, dass sich manche Menschen besonders frei und individualisiert, oft dabei auch wenig kultiviert, verhalten wollen, manövrieren sie sich ins gesellschaftliche Abseits. Dabei stand ihnen doch nach ganz anderem der Sinn: nach Achtung, Anerkennung und Akzeptanz!
O tempora, o mores!
Es ist doch gerade ein sittliches, ein moralisches und ethisches Benehmen und Verhalten, das unsere Gemeinschaft entstehen lässt, das unsere Gemeinschaft am Leben hält. Und das auch jeden Einzelnen von uns in der Gemeinschaft am Leben hält. Und es zeigt sich ja auch an allen Orten und zu allen Zeiten: Eine sittlich, moralisch und ethisch entwickelte Gesellschaft kennt keine Vereinzelung und keine Einsamkeit. Wie auch der in dieser Gesellschaft eingebettete Mensch keine Vereinzelung und keine Einsamkeit kennt.
O tempora, o mores! – Welch soziale Verblödung!
O tempora, o mores! Dies sei also gegen die rasant zunehmende soziale Verblödung unserer Gesellschaft gesagt. Gegen ihre so rasant zunehmende Spaltung, Fragmentierung, Zersplitterung. Und gegen die Vereinzelung und Vereinsamung des einzelnen Menschen. Besonders im Gespräch, im „Miteinander Sprechen„.
- Sitten sind unsere ungeschriebenen Gesetze des gelingenden Zusammenlebens ↩︎
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